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Kein Tag wie jeder andere!

Georg Weber trifft seinen Spender!

Blicken wir zu Beginn erst einmal zurück auf den 2. Oktober 2012: Während sich ganz Neunaigen auf die große Typisierungsaktion vorbereitet, organisiert, Geld sammelt, Helfer akquiriert, bereitet sich der 59-jährige Georg Weber auf den größten Kampf seines Lebens vor. Georg hat Leukämie und kämpft gerade im Uniklinikum Regensburg ums Überleben. Heute ist sein großer Tag, Georg wartet auf die Stammzellen seines Spenders, die er heute verabreicht

bekommt.

 

Im 450 Kilometer entfernten Birkenfeld, in den Räumen der Stefan-Morsch-Stiftung, ist hingegen schon wieder Ruhe eingekehrt. Dort herrschte bereits am 1. Oktober reges Treiben. Sebastian rückt um 8 Uhr an, um seine Stammzellen zu spenden. Für wen, weiß er momentan nicht. Dies soll er erst 2 Jahre später erfahren. Ca. 6 Stunden dauerte die Entnahme, 6 Stunden, die er sich mit Fernsehschauen und Gesprächen vertrieb. Er war nicht alleine an diesen besagten 1. Oktober 2012, eine junge Dame war ebenfalls zur Stammzellspende geladen. Eine Schar von Ärzten und Krankenschwestern schwirrten um die Beiden herum und kontrollierten, ob es ihnen gut geht.

 

Die Stefan-Morsch-Stiftung ist eine von rund 30 Datenbanken, die sich in Deutschland darum kümmert, dass immer wieder neue Spender in die weltweite Datenbank aufgenommen werden. All die unterschiedlichen Datenbanken arbeiten zwar für sich, ihre Spenderdaten müssen sie aber  ins zentrale Register nach Ulm (ZKRD) melden. Daher ist es egal, bei welcher Datenbank man registriert ist, wichtig ist hier nur, dass man registriert ist! Die Suchzentren greifen auf das ZKRD zu.

 

Wer ist dieser junge Mann und was hat der mit Georg Weber zu tun? Sebastian ist zum damaligen Zeitpunkt 29 Jahre jung und jetzt technischer Angestellter bei der Bundesnetzagentur. Aufgewachsen ist er im Niedersächsischen Hameln und lebt jetzt in Konstanz. In seiner Freizeit geht er gerne Langstrecken-Wandern,

Laufen und Fahrradfahren. Sebastian engagiert sich bei der Leichtathletik als

Übungsleiter, bei der Freiwilligen Feuerwehr und jetzt auch beim THW. Es war Anfang 2012 als Sebastian in Augustdorf zum Blutspenden ging. Dort wurde er plötzlich gefragt, ob er sich nicht vielleicht auch typisieren lassen wollte. Sebastian überlegte nicht lange und dachte: „Naja, wenn ich schon mal die Nadel im Arm habe, warum nicht!“

 

Ein paar Monate später bekam Sebastian einen Anruf von der Stefan-Morsch-Stiftung, ob er immer noch bereit war, der weltweiten Datenbank zur Verfügung zu stehen. Er war anfangs etwas irritiert, was diese Frage sollte: „Klar, sonst hätte ich mich doch nicht typisieren lassen.“ Jetzt wurde ihm mitgeteilt, dass eine fremde Person um sein Leben kämpft und er der genetische Zwilling ist.

Für den bescheidenen jungen Mann war es in diesem Moment eine Selbstverständlichkeit zu helfen. Er persönlich sieht sich nicht als Held, er

möchte auch kein großes Aufsehen daraus machen: „Der Feuerwehrmann, der in ein brennendes Haus rennt und Menschen rettet, wird auch nicht als Held gefeiert, sondern er kann nur sagen, dass er einen guten Job gemacht hat!“

 

So sieht er auch das mit der Stammzellspende. An diesem besagten Tag Anfang 2012, als er sich entschieden hat, der weltweiten Datenbank zur Verfügung zu stehen, hat er sich dafür entschieden, anderen zu helfen. Daher gab es für ihn auch keine Überlegung nach dem Anruf, ob er es noch möchte oder nicht.

 

Kommen wir wieder zurück zum 1. Oktober 2012: In Birkenfeld bei der Stefan-Morsch-Stiftung liegt/sitzt also Sebastian und spendet Stammzellen. Fünf Tage vorher hat er sich kleine Spritzen in die Bauchdecke verabreichen müssen (so ähnlich wie die kleinen Thrombosespritzen), damit die Stammzellen überproduzieren.

 

Während dessen wird im 450 Kilometer entfernten Regensburg das Immunsystem von Georg Weber auf null gefahren, die körpereigenen T-Zellen werden komplett zerstört, damit Platz ist, für die Zellen des unbekannten Spenders.

Für Sebastian ist alles gut gelaufen, er packt seinen Rucksack und geht nach Hause. In Regensburg wartet man jetzt sehnsüchtig auf den Kurier aus Birkenfeld. 2. Oktober 2012 – 11. 20 Uhr: die Stammzellen von

Sebastian werden Georg verabreicht… ein neues Leben für Georg beginnt.

 

Die erste Zeit war für die ganze Familie nicht ganz einfach, wobei Georg in der Klinik immer als Muster-Patient galt. Nur einmal hätte er fast einen Rückschlag erlitten, als er den Noro-Virus hatte, aber auch diese Phase meisterte Georg mit Bravour.

 

Zwei Jahre waren nun vergangen, Familie Weber war natürlich neugierig:

„Wer ist der Unbekannte, der zum Lebensretter von Georg wurde?“ Nach zwei

Jahren erlischt die Anonymität zwischen Spender und Patienten. Wenn beide

Seiten es wollen, darf nun ein Kontakt entstehen. Anfangs bestand der Kontakt

aus Briefe schreiben, oder mal eine Postkarte. Jetzt zum anstehenden „5. Geburtstag“ von Georg machte Gertraud Weber Nägel mit Köpfen und lud Sebastian zum Kennenlernen ein.

 

2. Oktober 2017 – es klingelt an der Tür der Webers in Neunaigen – Sebastian steht vor der Tür, erstmals nach 5 Jahren tritt Georg seinem Lebensretter gegenüber. Es lag ein Knistern in der Luft, beiden sahen sich einfach nur an – Blicke haben manchmal mehr Aussagekraft als tausend Worte

– ehe Georg den Bann brach und ihn mit einem „Grüß Dich“ begrüßte.

Mit einem Weißwurst – Frühstück wurde der Morgen eingeläutet. Es gab noch einen kurzen Termin mit der örtlichen Presse, ehe sich die Familie und Sebastian mit spazieren gehen und Kaffee trinken näher kennen lernten.

 

Gegen Abend wurden dann alle, inklusiv Sebastian „nach Hause“ geschickt. Georg verstand die Welt nicht mehr, warum schickt seine Frau Gertraud alle hungrig nach Hause. In dieser Phase hatte Gertraud nichts Leichtes:

„An diesem großen Tag schickt sie alle kurz vor dem Abendessen nach Hause, so

kannte ich meine Frau nicht“, so Georg. Bevor Sebastian ins „Hotel fuhr“, wolle

er noch schnell das Feuerwehrauto anschauen, da Sebastian auch Mitglied der FFW war. Sohn Florian fuhr mit ihm ins Feuerwehrhaus. Georg wurde gebeten, später nach zu kommen, sollte Sebastian noch Fragen haben.

 

Als Georg zum Feuerwehrhaus kam, wurde er bereits von dreißig Gästen empfangen. Bis zum Schluss haben alle dicht gehalten, diese Überraschung ist wahrlich gelungen. Den ganzen Abend schüttelte er nur den Kopf, nicht immer verstand Georg, was gerade um ihn geschah. Der Grill wurde angeschmissen und es wurde eine riesen Geburtstagsparty gefeiert. Da es der „fünfte“ Geburtstag war, gab es einen Kindergarten-Rucksack mit Kinderschokolade und ein paar Pfefferbeißer. Ob „a Seidla – Bier“ noch drin war, wurde uns nicht mitgeteilt.

 

Es war ein wunderbarer und lustiger Abend, der vielleicht nie

zustande gekommen wäre, wenn Sebastian nicht vor 5 ½ Jahren sich dazu

entschieden hätte, sich für die weltweite Datenbank registrieren zu lassen.